Montanmitbestimmungsrecht

Die letzte Sitzung des Aufsichtsrates der RAG AG unter dem Montanmitbestimmungsrecht liegt hinter mir.
Zwischen 1949 und 1951 hat die gewerkschaftliche Forderung nach einer qualifizierten Mitbestimmung in der deutschen Industrie den ersten fundamentalen Konflikt mit der Bundesregierung der jungen Bundesrepublik ausgelöst. Um einen umfassend angekündigten Streik in der Kohle- und Stahlindustrie mit enormer Zustimmung in der Urabstimmung abzuwenden, einigten sich Bundeskanzler Konrad Adenauer und der DGB-Vorsitzende Hans Böckler auf die Einführung einer qualifizierten Mitbestimmung in der Montanindustrie. Am 21. Mai 1951 beschloss der Deutsche Bundestag das Montanmitbestimmungsgesetz.
Mit dem Ende der Steinkohleförderung im Jahr 2018 und der gesetzlich vorgesehenen Nachwirkung endet nun auch die Montanmitbestimmung. Sie war maßgeblich an einem in der deutschen Wirtschaftsgeschichte einmaligen Erfolg beteiligt: 1957 arbeiteten rund 630.000 Bergleute in den Bergwerken – heute sind im gesamten Unternehmen noch rund 500 Menschen beschäftigt. Sie fördern keine Kohle mehr, sondern widmen sich der Nachsorge des Bergbaus. Und zwar: auf ewig.
Von den 629.500 Beschäftigten wurde trotz des vollständigen Auslaufs der Förderung niemand betriebsbedingt gekündigt. Das hat es in dieser Dimension nirgendwo sonst gegeben. Ein Erfolg der Montanmitbestimmung – und Ausdruck gewerkschaftlicher Solidarität und Stärke.
Auch wenn das Montanmitbestimmungsgesetz nun nicht mehr gilt, bleibt der Aufsichtsrat bestehen. Und wir werden diese gewachsene Kultur der Mitbestimmung weiterleben und erfolgreich fortführen – auch ohne gesetzliche Verpflichtung.
Ein historischer Moment – nach fast genau 74 Jahren.
Bericht von: Michael Vassiliadis